Hightech-Sehhilfen

Andere Sinne zum „Sehen“ nutzen

Von Nadine Effert · 2016

Herabschauende Fledermaus. Thema: Hightech-Sehhilfen

Ein Unfall, eine erblich bedingte Augenkrankheit oder das hohe Alter – Gründe dafür, dass Menschen ihr Augenlicht verlieren können. Es ist ein harter Schicksalsschlag, von heute auf morgen ohne das wohl wichtigste Sinnesorgan im Leben auszukommen. Die gute Nachricht: Immer mehr Forscher und Unternehmen tüfteln an Hightech-Lösungen für Blinde – mit Erfolg.

Es ging um die Welt und rührte viele zu Tränen: ein Video vom US-Amerikaner Allen Zderad, der nach zehn Jahren erstmals wieder seine Frau sehen konnte. Der zu diesem Zeitpunkt 68-Jährige war nicht etwa für lange Zeit im Ausland. Eine degenerative Augenerkrankung, die bei ihm vor 20 Jahren diagnostiziert worden war, ließ ihn vor zehn Jahren erblinden. Im vergangenen Jahr wurde ihm ein sogenanntes bionisches Auge eingesetzt. Das Implantat sendet Lichtsignale an den Sehnerv und umgeht damit die zerstörte Netzhaut. Das funktioniert aufgrund eines ausgeklügelten Systems aus einer Kamerabrille und einem kleinen Gerät, das die Lichtsignale an einen in der Retina-Prothese enthaltenen Mikro-Chip sendet und von dort aus ins Gehirn. Das Sehen im eigentlichen Sinn ist zwar nicht möglich, aber das Erkennen von menschlichen Umrissen und Formen – und das grenzt für Blinde schon an ein Wunder.

Hightech-Sehhilfen: Vibrationen der Zunge als zusätzlicher Tastsinn

Mit der Zunge „sehen“? Was verrückt klingt, funktioniert. Und zwar so: Bei diesem System werden die von Kameras aufgenommenen Bilder als elektrische Signale an ein unter der Zunge liegendes Plättchen übertragen. Die dort befindlichen 600 Minielektroden pulsieren je nach Helligkeit unterschiedlich stark. Die Nerven der Zunge leiten diese Signale zum Gehirn, wo die Daten verarbeitet und als Form, Bewegung, Größe und Position der Objekte interpretiert werden. Der Tastsinn, den Blinde mithilfe ihrer Hände oder des Blindenstocks ohnehin einsetzen, wird so um den der Zunge erweitert – fleißiges Training vorausgesetzt. Eine Studie hat gezeigt, dass nach einem Jahr Übungszeit 69 Prozent der 74 Testpersonen Objekte erkennen konnten. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat im Jahr 2015 dieses „Zungen-Seh-System“ zugelassen. Allerdings ist es mit einem Preis von knapp 10.000 Euro nicht für jedermann erschwinglich.

Mit dem Ohr Objekte wahrnehmen

Im „Technology Review“ wurde jüngst über eine technologische Entwicklung eines Forscherteams am California Institute of Technology berichtet, die nicht die Zunge, sondern das Ohr zum Sehen einsetzt. Dazu werden die Aufnahmen der Kamera in einem kleinen Computer zu Tönen umgewandelt und über einen Kopfhörer ins Ohr übertragen. Ähnlich wie beim Zungenprinzip muss der Anwender lernen, die Tonsignale richtig zu interpretieren. Das System funktioniert im Prinzip wie ein Sonar, mit dem sich bekanntlich Fledermäuse in der Dunkelheit bestens orientieren können. Nur das in diesem Fall der Anwender selbst keine Ultraschallwellen aussenden muss – er muss nur gut zuhören.

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